Mit Kind ohne Arbeit: Firmen drängen Mütter aus dem Job
28.03.2006
http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/19/0,1872,3918131,00.html
Frontal21
Immer mehr Schwangere und junge Mütter müssen nach Ansicht von Experten um ihren Arbeitsplatz fürchten. Und das, obwohl sie nach dem Gesetz eigentlich unkündbar sein sollen.
Von Anke Becker-Wenzel, Astrid Randerath und Anke Lang
"Wir können beobachten, dass in den vergangenen sechs Jahren die Zahl der gekündigten oder zur Kündigung vorgesehenen Schwangeren sich etwa verdoppelt", sagt Robert Rath vom Berliner Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit zu Frontal21. Andere Frauen werden mit unrealistischen Arbeitszeit-Angeboten oder Abfindungen aus dem Job gedrängt.
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Frontal21, Dienstag, 28.03.2006, 21.00 Uhr
Bundesweit stieg die Zahl der Anträge auf Kündigung während des Mutterschutzes oder der Elternzeit nach Angaben der zuständigen Arbeitsschutzbehörden von 1999 bis zum Jahr 2004 um rund 20 Prozent.
Verdoppelung der Kündigungen Allein in Berlin hat sich die Zahl der Kündigungsversuche seit 1998 etwa verdoppelt, so Rath. Im Landesamt wird über Anträge zur Kündigung entschieden: "Im Jahr 1998 waren das noch etwa 200 Entscheidungen, die wir zu treffen hatten", sagt er. "Im Jahr 2004 waren es knapp 400 Entscheidungen." Er gehe davon aus, dass es außerdem eine große Dunkelziffer gebe.
Bei vielen Frauen waren die Kündigungen Rath zufolge nicht berechtigt. In mehr als der Hälfte der Fälle seien die Entscheidungen zu Kündigungsanträgen während des Mutterschutzes zwar so ausgefallen, dass ihnen stattgegeben werden musste. Aber in der anderen knappen "Hälfte der Fälle waren die Anträge nicht gerechtfertigt - unter fadenscheinigen Gründen sollten die Frauen aus dem Arbeitsmarkt entfernt werden."
Zweifelhaftes Angebot Jana Wehr, medizinisch-technische Assistentin aus Hamburg, hat sich gewehrt - und einen Auflösungsvertrag ihres Arbeitgebers abgelehnt. Nach der Geburt ihres zweiten Kindes sollte sie gegen eine Abfindung ihren Arbeitsplatz aufgeben.
Wehr weigerte sich und wollte vor Gericht ziehen. Daraufhin wurde ihr eine Arbeitszeit von 14 bis 19 Uhr angeboten - Zeiten, die mit Kindertagesstätte und Schule nicht zu vereinbaren sind. "Das ist für mich ganz klar, das macht man, um mich aus der Firma rauszubekommen, ganz einfach, weil sie auch wissen, dass man sich auf so was nicht einlassen kann", glaubt Wehr. "Das habe ich auch schon mehrfach gehört, dass Müttern wirklich solche Angebote gemacht werden."
"Total aussichtslos, total frustrierend" Schließlich gibt Wehr doch auf und akzeptiert die Abfindung. "Das ist einfach total aussichtslos, total frustrierend, weil es fast ausgeschlossen ist, jemals wieder in diesen Beruf reinzukommen", sagt die 37-Jährige. Heute arbeitet sie auf 400-Euro-Basis als Arzthelferin.
Auch für eine junge Wirtschaftsprüferin, die anonym bleiben möchte, bedeutete die Geburt ihrer Kinder das vorläufige Ende der Karriere. Ihr Arbeitgeber habe eine Teilzeitstelle abgelehnt, weil man sie damit nicht an die Kunden "verkaufen könne", berichtet die Anwältin Jutta Glock, die die Frau vertritt.
Keine Alternative Ihre Mandantin klagte zunächst auf Teilzeitbeschäftigung und suchte innerhalb des Unternehmens nach einer anderen Stelle, bei der sie nicht so viel reisen müsste und familienfreundlichere Arbeitszeiten hätte. "Es wurde auch nie überhaupt über eine Alternative auch nachgedacht", sagt sie. Sie selbst habe viele Möglichkeiten in dem Unternehmen gesehen. Schließlich lässt auch sie sich auf eine Abfindung ein und gibt ihren Arbeitsplatz auf.
Anwältin Glock sieht die jungen Frauen - und die Unternehmen - in einem wachsenden Konflikt. "Ich würde sagen, dass Klima hat sich sehr verschärft in den vergangenen Jahren, was sich zwangsläufig durch den wirtschaftlichen Druck ergibt", erklärt sie. Zum einen die wirtschaftlichen Anforderungen auf der Arbeitgeberseite, zum anderen die Knappheit an Arbeitsplätzen aus Arbeitnehmersicht. "Diese beiden Konstellationen führen dazu, dass eine Arbeitnehmerin versuchen muss, wirklich ihren Arbeitsplatz zu behalten, koste es, was es wolle."
Quadratur des Kreises Gleichzeitig gibt es weitere Erwartungen, die schwer zu vereinbaren sind: "Einerseits wird auf die Mutter projiziert, sie soll Kinder kriegen, andererseits wird aber auf sie projiziert, sie soll sich um die Kinder kümmern, soll es nicht nur dem Staat überlassen, die Erziehungsseite, aber letztlich soll sie natürlich aber auch im Arbeitsprozess drin bleiben dürfen, und sie soll auch Karriere machen dürfen", sagt Glock. "Und das alles immer zu vereinbaren ist fast schon manchmal eine Quadratur des Kreises."
Die fehlende Kooperationsbereitschaft der Unternehmen führt bei immer mehr Frauen dazu, dass sie den Spagat zwischen Kindern und Beruf gar nicht erst ausprobieren - und den Kampf gegen ihren Arbeitgeber und um ihren Job aufgeben. Jana Wehr kennt viele solche Fälle. "Diese Entwicklung finde ich wahnsinnig erschreckend, weil es eben auch vielen Müttern in meinem Freundeskreis ähnlich gegangen ist", sagt sie.
"Es wird nichts getan" "Die Rückkehr an ihren Arbeitsplatz sei ihnen erschwert oder gar unmöglich gemacht worden. Das macht Jana Wehr wütend: "Alle jammern rum - unsere Gesellschaft veraltet, und das ist ja ein ganz großes Thema im Moment - aber es wird nichts dafür getan, dass die jungen Menschen auch wieder bereit sind zu sagen: So, ich möchte jetzt Kinder haben."
© ZDF 2006
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Frontal21
Immer mehr Schwangere und junge Mütter müssen nach Ansicht von Experten um ihren Arbeitsplatz fürchten. Und das, obwohl sie nach dem Gesetz eigentlich unkündbar sein sollen.
Von Anke Becker-Wenzel, Astrid Randerath und Anke Lang
"Wir können beobachten, dass in den vergangenen sechs Jahren die Zahl der gekündigten oder zur Kündigung vorgesehenen Schwangeren sich etwa verdoppelt", sagt Robert Rath vom Berliner Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit zu Frontal21. Andere Frauen werden mit unrealistischen Arbeitszeit-Angeboten oder Abfindungen aus dem Job gedrängt.
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Frontal21, Dienstag, 28.03.2006, 21.00 Uhr
Bundesweit stieg die Zahl der Anträge auf Kündigung während des Mutterschutzes oder der Elternzeit nach Angaben der zuständigen Arbeitsschutzbehörden von 1999 bis zum Jahr 2004 um rund 20 Prozent.
Verdoppelung der Kündigungen Allein in Berlin hat sich die Zahl der Kündigungsversuche seit 1998 etwa verdoppelt, so Rath. Im Landesamt wird über Anträge zur Kündigung entschieden: "Im Jahr 1998 waren das noch etwa 200 Entscheidungen, die wir zu treffen hatten", sagt er. "Im Jahr 2004 waren es knapp 400 Entscheidungen." Er gehe davon aus, dass es außerdem eine große Dunkelziffer gebe.
Bei vielen Frauen waren die Kündigungen Rath zufolge nicht berechtigt. In mehr als der Hälfte der Fälle seien die Entscheidungen zu Kündigungsanträgen während des Mutterschutzes zwar so ausgefallen, dass ihnen stattgegeben werden musste. Aber in der anderen knappen "Hälfte der Fälle waren die Anträge nicht gerechtfertigt - unter fadenscheinigen Gründen sollten die Frauen aus dem Arbeitsmarkt entfernt werden."
Zweifelhaftes Angebot Jana Wehr, medizinisch-technische Assistentin aus Hamburg, hat sich gewehrt - und einen Auflösungsvertrag ihres Arbeitgebers abgelehnt. Nach der Geburt ihres zweiten Kindes sollte sie gegen eine Abfindung ihren Arbeitsplatz aufgeben.
Wehr weigerte sich und wollte vor Gericht ziehen. Daraufhin wurde ihr eine Arbeitszeit von 14 bis 19 Uhr angeboten - Zeiten, die mit Kindertagesstätte und Schule nicht zu vereinbaren sind. "Das ist für mich ganz klar, das macht man, um mich aus der Firma rauszubekommen, ganz einfach, weil sie auch wissen, dass man sich auf so was nicht einlassen kann", glaubt Wehr. "Das habe ich auch schon mehrfach gehört, dass Müttern wirklich solche Angebote gemacht werden."
"Total aussichtslos, total frustrierend" Schließlich gibt Wehr doch auf und akzeptiert die Abfindung. "Das ist einfach total aussichtslos, total frustrierend, weil es fast ausgeschlossen ist, jemals wieder in diesen Beruf reinzukommen", sagt die 37-Jährige. Heute arbeitet sie auf 400-Euro-Basis als Arzthelferin.
Auch für eine junge Wirtschaftsprüferin, die anonym bleiben möchte, bedeutete die Geburt ihrer Kinder das vorläufige Ende der Karriere. Ihr Arbeitgeber habe eine Teilzeitstelle abgelehnt, weil man sie damit nicht an die Kunden "verkaufen könne", berichtet die Anwältin Jutta Glock, die die Frau vertritt.
Keine Alternative Ihre Mandantin klagte zunächst auf Teilzeitbeschäftigung und suchte innerhalb des Unternehmens nach einer anderen Stelle, bei der sie nicht so viel reisen müsste und familienfreundlichere Arbeitszeiten hätte. "Es wurde auch nie überhaupt über eine Alternative auch nachgedacht", sagt sie. Sie selbst habe viele Möglichkeiten in dem Unternehmen gesehen. Schließlich lässt auch sie sich auf eine Abfindung ein und gibt ihren Arbeitsplatz auf.
Anwältin Glock sieht die jungen Frauen - und die Unternehmen - in einem wachsenden Konflikt. "Ich würde sagen, dass Klima hat sich sehr verschärft in den vergangenen Jahren, was sich zwangsläufig durch den wirtschaftlichen Druck ergibt", erklärt sie. Zum einen die wirtschaftlichen Anforderungen auf der Arbeitgeberseite, zum anderen die Knappheit an Arbeitsplätzen aus Arbeitnehmersicht. "Diese beiden Konstellationen führen dazu, dass eine Arbeitnehmerin versuchen muss, wirklich ihren Arbeitsplatz zu behalten, koste es, was es wolle."
Quadratur des Kreises Gleichzeitig gibt es weitere Erwartungen, die schwer zu vereinbaren sind: "Einerseits wird auf die Mutter projiziert, sie soll Kinder kriegen, andererseits wird aber auf sie projiziert, sie soll sich um die Kinder kümmern, soll es nicht nur dem Staat überlassen, die Erziehungsseite, aber letztlich soll sie natürlich aber auch im Arbeitsprozess drin bleiben dürfen, und sie soll auch Karriere machen dürfen", sagt Glock. "Und das alles immer zu vereinbaren ist fast schon manchmal eine Quadratur des Kreises."
Die fehlende Kooperationsbereitschaft der Unternehmen führt bei immer mehr Frauen dazu, dass sie den Spagat zwischen Kindern und Beruf gar nicht erst ausprobieren - und den Kampf gegen ihren Arbeitgeber und um ihren Job aufgeben. Jana Wehr kennt viele solche Fälle. "Diese Entwicklung finde ich wahnsinnig erschreckend, weil es eben auch vielen Müttern in meinem Freundeskreis ähnlich gegangen ist", sagt sie.
"Es wird nichts getan" "Die Rückkehr an ihren Arbeitsplatz sei ihnen erschwert oder gar unmöglich gemacht worden. Das macht Jana Wehr wütend: "Alle jammern rum - unsere Gesellschaft veraltet, und das ist ja ein ganz großes Thema im Moment - aber es wird nichts dafür getan, dass die jungen Menschen auch wieder bereit sind zu sagen: So, ich möchte jetzt Kinder haben."
© ZDF 2006
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rudkla - 28. Mär, 22:56