Irak: die deutsche Kriegsbeteiligung

http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56242

(GFP) - Bei der geheimen Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) im Deutschen Bundestag hat der amtierende Außenminister und frühere Chef des Bundeskanzleramts, Frank-Walter Steinmeier, am vergangenen Freitag die staatliche Beteiligung der Bundesrepublik am Überfall auf den Irak faktisch bestätigt.

Ein Beitrag von German Foreign Policy / 13.02.2006

Laut Steinmeier (SPD) erkundeten deutsche Agenten in mehr als 20 Fällen mögliche Angriffsziele in der irakischen Hauptstadt und leiteten die Ergebnisse ihrer Spionagetätigkeit an die Zentrale des Bundesnachrichtendienstes (BND) weiter. Von dort wurden die Informationen dem Angreifer übermittelt. Die im Geheimdienst-Gremium bekannt gewordenen Tatsachen stellen einen vielfachen Bruch der deutschen Verfassung dar und verletzen die zentralen Gebote der UN-Charta.

Trotz der von Steinmeier eingestandenen Beteiligung am Irak-Überfall weigert sich die deutsche Justiz, gegen die Verantwortlichen zu ermitteln. Auch die dem Innenausschuss des Deutschen Bundestags bekannt gewordenen Einzelheiten über Auslands-Aktivitäten des Bundeskriminalamts (BKA) bleiben ohne strafrechtliche Konsequenzen.

Die Kapitulation der parlamentarischen Kontrollorgane vervollständigt das für die Geheimdienste zuständige PKG, dem Vertreter sämtlicher Bundestagsparteien angehören. Obwohl sie auf die allgemeinen Regeln des Völkerrechts verpflichtet sind, halten sie sich an nationale Redeverbote.

Nach Informationen dieser Redaktion ist keines der PKG-Mitglieder bereit, die Völkerrechtsverbrechen der deutschen Regierung unter internationale Anklage zu stellen.

Zu einer als "geheim" eingestuften Sitzung waren am vergangenen Freitag der ehemalige Chef des Bundeskanzleramts, Steinmeier, sowie der frühere Vizekanzler, Fischer, im PK-Gremium erschienen, um durch Aussagen, die nicht zitiert werden dürfen, der Öffentlichkeit eines Untersuchungsausschusses zu entgehen. Die bei der PKG-Sitzung eingeräumten Tatsachen sollten dem Vertreter von "Bündnis 90/Die Grünen" Gelegenheit geben, über eine befriedigende Aussagebereitschaft der Exekutive zu informieren, ohne Einzelheiten nennen zu müssen. Wie erwartet, trat das PKG-Mitglied Stroebele ("Bündnis 90/Die Grünen") anschließend vor die Presse und sagte, er wisse jetzt "sehr viel mehr, als ein Untersuchungsausschuss in einem halben Jahr herausbekommen hätte".[1] Allerdings fühle er sich an die nationalen Vorschriften der Geheimhaltung gebunden und könne der Öffentlichkeit daher nur mitteilen: "Es hat sich gelohnt."

Angriffskrieg

Nach Informationen dieser Redaktion erfuhren die PKG-Mitglieder nicht mehr, als seit Wochen bekannt und daher unmöglich geheim zu halten ist.[2] Demnach haben in Bagdad tätige BND-Agenten während des US-Überfalls im April 2003 militärische Beobachtungen an ihre Münchener Spionagezentrale weitergeben, die dann "gebündelt" dem Aggressor zur Verfügung gestellt wurden. Dies geschah nach vorheriger Absprache mit den entsprechenden US-Stellen, war also verabredet und stellte eine unmittelbare Hilfsleistung für die geplanten oder in Ausführung begriffenen Gewaltoperationen dar.

Damit erfüllen die in der PKG-Sitzung jetzt auch offiziell eingestanden Tätigkeiten des BND die Bestimmungen von Artikel 26 der deutschen Verfassung ("Handlungen, die geeignet sind...die Führung eines Angriffskriegs vorzubereiten, sind verfassungswidrig.")

Verantwortlich ist der zum Tatzeitpunkt tätige Regierungsbeauftragte für die Geheimdienste - der heutige Außenminister Frank-Walter Steinmeier.

Orden

Hatte Steinmeier bisher verlautbaren lassen, Artikel 26 sei nicht tangiert, da die BND-Agenten den USA "keinerlei direkte Hilfe" angedeihen ließen, sondern lediglich ihre Zentrale informierten, heißt es angesichts der nicht mehr zu leugnenden Nachrichten-Weitergabe durch das BND-Hauptquartier nunmehr, kriegsrelevante Konsequenzen könnten nicht festgestellt werden.

Diese Argumentation zielt auf die Verharmlosung operativer Angriffsvorbereitungen, die keiner blutigen Opfer bedürfen, um strafbar zu sein - es reichen Handlungen bei der Vorbereitung eines Überfalls.

Dass die BND-Aktivitäten vom Aggressor anders eingeschätzt wurden als in den jetzigen Schutzbehauptungen Steinmeiers, beweist ihre militärische Würdigung: Zumindest einer der BND-Agenten darf sich seitdem mit einem US-Orden schmücken.

Artikel 25

Die zweifelsfreie Beteiligung an der Militäraggression gegen den Irak, die ein schweres Verbrechen darstellt, wird in der Bundesrepublik nicht unter Anklage gestellt. Diverse Anzeigen einzelner Bürger weist der Generalbundesanwalt zurück und behauptet, es bestehe kein Anfangsverdacht.

Die Generalbundesanwaltschaft ressortiert beim Justizministerium, dessen Behördenspitze Grund hat, das Treiben der Vorgängerregierung zu decken - die Ministerin Zypries (SPD) war während der Tätigkeit Steinmeiers (SPD) an selber Stelle tätig und wird für die damaligen Versäumnisse verantwortlich gemacht.[3]

Angesichts der umfassenden Beteiligung zahlreicher Exekutivorgane stehen den deutschen Parlamentariern zahlreiche Kontroll- und Rechtsregularien zur Verfügung, die nicht nur innerstaatliche Mittel umfassen; da das internationale Völkerrecht Bestandteil des Bundesrechts ist und diesem vorgeht [4], kann die Beteiligung am Angriffskrieg gegen den Irak auch auf internationaler Ebene angeklagt werden.

Entsprechende Schritte von PKG-Mitgliedern sind nach Informationen dieser Redaktion jedoch nicht zu erwarten.

Intervention

Dass die internationale Verfolgung deutscher Kriegsbeiträge und Folterbeihilfen in Berlin gefürchtet wird, offenbart der Verlauf einer Sitzung des Bundestags-Innenausschusses. Dort wurden Erkenntnisse des BKA-Beamten Ralph Trede über Folter-"Outsourcing" im Libanon zwar für nicht glaubwürdig erachtet, aber wegen eventueller Behandlung im Europarat als gefährlich eingeschätzt.[5]

Obwohl der Ausschuss Zugang zu Informationen besitzt, nach denen im Bundeskriminalamt (BKA) Beauftragte einer US-Inlandsbehörde tätig gewesen sind, wird die BKA-Auftragsarbeit für eine fremde Macht auch in diesem Gremium nicht behandelt. Stattdessen beschäftigte sich der Ausschuss mit unliebsamen Medienrecherchen, denen ein autoritatives Ende bereitet werden soll - durch Intervention bei der Intendantin eines öffentlich-rechtlichen TV-Senders.

Nichtöffentlich

Die Botschaft ist angekommen. Auf der 25. Rundfunkratssitzung von "radio berlin brandenburg" (rbb), die am vergangenen Donnerstag in Potsdam stattfand, war dazu.

Gelegenheit - "Top 01 bis Top 03, nichtöffentlicher Teil." Nichtöffentlich sind auch die Bemühungen der Bundesregierung, die für hinderlich erachtete internationale Rechtslage zu ändern, um zukünftig offener vorgehen zukönnen. Entsprechende Andeutungen machte die deutsche Bundeskanzlerin auf der Münchener Rüstungskonferenz und regte eine "Weiterentwicklung des Völkerrechts" an. "Deutschland will und wird hierzu seinen Beitrag leisten," versprach Frau Merkel.[6]

[1] Mehr BND-Kontrolle gefordert; n-tv.de 10.02.2006
[2] s. dazu Zurück blieben Tote, Außer Kontrolle und Abgleiten in die Barbarei
[3] s. dazu Nach Recht und Gesetz sowie Täuschen und lügen
[4] Art. 25 der deutschen Verfassung
[5] s. dazu Die Folterer und Und warten noch immer sowie Ohne Gericht, ohne Urteil
[6] Rede der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel;
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