Beratungsoffensive zu Hartz IV in Schleswig-Holstein
SOGA - Sozialinitiative gegen Armut und Ausgrenzung - Neumünster e.V. Weitere Informationen unter http://www.soga-nms.net
mail: beratung@soga-nms.net
An den Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein
Herrn Peter Harry Carstensen
Düsternbrooker Weg 70
24105 Kiel
Kiel, 10.02.2006
Zuwendungen für Arbeitsloseninitiativen und Erwerbslosenberatungsstellen
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Carstensen,
zum 31.12.2005 hat das Land Schleswig-Holstein die fast zwanzigjährige Förderung von Arbeitsloseninitiativen und Erwerbslosenberatungsstellen eingestellt. Begründung: Die Job-Center würden eine passgenaue Beratung der Betroffenen vornehmen, weitergehender Bedarf sei nicht gegeben.
In diesem offenen Brief möchten wir, die Arbeitsloseninitiative Kiel e.V., stellvertretend und im Auftrag von weiteren Initiativen und Beratungsstellen aus S-H, Sie persönlich darauf hinweisen, dass sich die Gesamtsituation der Erwerbslosen in der Mehrzahl signifikant verschlechtert hat bis hin zu einer daraus resultierenden Gefährdung des sozialen Zusammenhaltes in S-H.
Durch die Arbeit der Initiativen und Beratungsstellen ist anerkanntermaßen ein großer Beitrag zum Erhalt des sozialen Friedens geleistetet worden. Und diese Aufgabe hat sich nicht erledigt. Im Gegenteil, sie ist jetzt nötiger denn je. Denn durch die neue Gesetzeslage haben sich die Verhältnisse für noch mehr Menschen verschlechtert, noch mehr Menschen sind und fühlen sich durch sozialen Abstieg in die Armut existentiell bedroht.
Aus unserer Tätigkeit im vergangenen Jahr, dem Jahr der Einführung der HARTZ IV Gesetze, wissen wir, daß es Job-Centern und Arbeitsagenturen nicht gelingt, den sozialen Sprengstoff zu entschärfen, der sich bei vielen Betroffenen anhäuft. Dazu bedarf es weiterhin der Initiativen und Beratungsstellen, die auf Grund ihrer Qualifikation und breiteren Vertrauensbasis mit den Betroffenen in Konfliktfällen dafür sorgen können, dass diese zu ihrem Recht kommen und der Rechtsfrieden wieder hergestellt wird, oft ohne Gerichtsverfahren, nur durch Gespräche und Vermittlung. Notwendig ist häufig die Klärung über Beratungsstellen mit kurzen Wegen, z.B. über telefonische Anfragen, ohne das immer förmliche Rechtsmittel eingesetzt werden müssen.
Die Initiativen verstehen sich vorrangig als Selbsthilfeorganisationen im Sinne von „Hilfe zur Selbsthilfe" und als Interessenvertretung der Bevölkerungsgruppe, die von Armut, Ausgrenzung und Erwerbslosigkeit betroffen oder bedroht ist. Die politische Zielsetzung unserer Tätigkeit ist, allen Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen und Ausgrenzung zu verhindern. Dieses Ziel umfasst, dass soziale Arbeit und soziale Sicherung kollektive und individuelle Bedürfnisse der Betroffenen berücksichtigen und Selbsthilfe unterstützen muss.
Unser Integrationsansatz fokussiert die Stärkung von sozialen Rechten und die Schaffung von Lebensbedingungen, die eine menschenwürdige materielle Existenz, soziale Teilhabe, Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen ermöglichen. Die Verhinderung von existenziellen Notlagen sehen wir als Grundvoraussetzung für eine Integration auf dem Erwerbsarbeitsmarkt.
Hierfür ist eine anonyme, parteiliche und sozial-ganzheitliche Beratung Voraussetzung. Wir wollen für die Betroffenen Gerechtigkeit wieder herstellen im Sinne einer Schnitt- und Vermittlungsstelle zwischen Betroffenen und Ämtern, Kommunikationsstörungen beheben. Durch unsere Beratung kann und muss vielen Menschen zunächst die Angst genommen werden, mit den Behörden bzw. Fallmanagern und Sachbearbeitern zu reden. Und wir sind Anlaufstelle für Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen noch keine oder (zeitweilig) nicht mehr Ansprüche auf Leistungen gemäß SGBII oder SGBXII haben, jedoch in Armut leben, ohne dass sich die ARGEn oder JobCenter hierfür zuständig fühlen (können).
Wir sind sehr daran interessiert, mit Ihnen über Möglichkeiten der weitergehenden finanziellen Unterstützung unserer Arbeit zu reden. Die bisherigen Gespräche mit den zuständigen Fachleuten und PolitikerInnen haben zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt. Eine pauschale Abweisung einer Förderung durch die Landtagsfraktionen der CDU und SPD Ende 2005 mit dem Verweis auf die Zustandigkeit der ARGEn gemäß SGBII bedeutet letztendlich, dass das Land, und in diesem Fall stellvertretend Sie, Herr Ministerpräsident, sich der Problematik zum ALG II-Thema verschliessen.
Die Notlage eines inzwischen großen Teils der Bevölkerung erfordert ein breites Spektrum an Lösungsmöglichkeiten. Wir wissen hier an der Basis wovon wir reden und möchten darauf hinweisen, dass aus unserer Beratung inzwischen auch ganz konkrete Lebenshilfe geworden ist. Insofern, die Not zu wenden, möchten wir nochmals ein Überdenken der Sachlage im Landtag einfordern in dem Sinne, dass Wege gefunden werden, die Existenz der Beratunsstellen zu gewährleisten, sei es auch durch konkrete Vorgaben für die kommunale Ebene durch das Land.
Hierfür bitten wir Sie um direkte Unterstützung.
Die Existenz der Erwerbslosenberatungsstellen in S-H ist kurzfristig in Gefahr, es bestehen nahezu keine Vorfinanzierungsmöglichkeiten, gewachsene Strukturen im sozialen Bereich stehen vor der Auflösung.
In Erwartung einer baldigen Antwort verbleiben wir mit freundlichen Grüßen
Wolfram Otto
(Vorstandsmitglied der Arbeitsloseninitiative Kiel e.V)
(Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen BAG-SHI e.V. , Frankfurt, www.bag-shi.de )
An diesem offenen Brief haben 7 Initiativen inhaltlich mitgearbeitet, und zwar aus Wedel, Bredstedt, Neumünster, Itzehoe, Kappeln, Mölln, Kiel. Eine Vernetzung besteht über die AG-Nord als ein Zusammenschluß von Arbeitslosen- und Sozialhilfegruppen aus Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig- Holstein und bundesweit über die BAG-SHI.
mail: beratung@soga-nms.net
An den Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein
Herrn Peter Harry Carstensen
Düsternbrooker Weg 70
24105 Kiel
Kiel, 10.02.2006
Zuwendungen für Arbeitsloseninitiativen und Erwerbslosenberatungsstellen
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Carstensen,
zum 31.12.2005 hat das Land Schleswig-Holstein die fast zwanzigjährige Förderung von Arbeitsloseninitiativen und Erwerbslosenberatungsstellen eingestellt. Begründung: Die Job-Center würden eine passgenaue Beratung der Betroffenen vornehmen, weitergehender Bedarf sei nicht gegeben.
In diesem offenen Brief möchten wir, die Arbeitsloseninitiative Kiel e.V., stellvertretend und im Auftrag von weiteren Initiativen und Beratungsstellen aus S-H, Sie persönlich darauf hinweisen, dass sich die Gesamtsituation der Erwerbslosen in der Mehrzahl signifikant verschlechtert hat bis hin zu einer daraus resultierenden Gefährdung des sozialen Zusammenhaltes in S-H.
Durch die Arbeit der Initiativen und Beratungsstellen ist anerkanntermaßen ein großer Beitrag zum Erhalt des sozialen Friedens geleistetet worden. Und diese Aufgabe hat sich nicht erledigt. Im Gegenteil, sie ist jetzt nötiger denn je. Denn durch die neue Gesetzeslage haben sich die Verhältnisse für noch mehr Menschen verschlechtert, noch mehr Menschen sind und fühlen sich durch sozialen Abstieg in die Armut existentiell bedroht.
Aus unserer Tätigkeit im vergangenen Jahr, dem Jahr der Einführung der HARTZ IV Gesetze, wissen wir, daß es Job-Centern und Arbeitsagenturen nicht gelingt, den sozialen Sprengstoff zu entschärfen, der sich bei vielen Betroffenen anhäuft. Dazu bedarf es weiterhin der Initiativen und Beratungsstellen, die auf Grund ihrer Qualifikation und breiteren Vertrauensbasis mit den Betroffenen in Konfliktfällen dafür sorgen können, dass diese zu ihrem Recht kommen und der Rechtsfrieden wieder hergestellt wird, oft ohne Gerichtsverfahren, nur durch Gespräche und Vermittlung. Notwendig ist häufig die Klärung über Beratungsstellen mit kurzen Wegen, z.B. über telefonische Anfragen, ohne das immer förmliche Rechtsmittel eingesetzt werden müssen.
Die Initiativen verstehen sich vorrangig als Selbsthilfeorganisationen im Sinne von „Hilfe zur Selbsthilfe" und als Interessenvertretung der Bevölkerungsgruppe, die von Armut, Ausgrenzung und Erwerbslosigkeit betroffen oder bedroht ist. Die politische Zielsetzung unserer Tätigkeit ist, allen Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen und Ausgrenzung zu verhindern. Dieses Ziel umfasst, dass soziale Arbeit und soziale Sicherung kollektive und individuelle Bedürfnisse der Betroffenen berücksichtigen und Selbsthilfe unterstützen muss.
Unser Integrationsansatz fokussiert die Stärkung von sozialen Rechten und die Schaffung von Lebensbedingungen, die eine menschenwürdige materielle Existenz, soziale Teilhabe, Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen ermöglichen. Die Verhinderung von existenziellen Notlagen sehen wir als Grundvoraussetzung für eine Integration auf dem Erwerbsarbeitsmarkt.
Hierfür ist eine anonyme, parteiliche und sozial-ganzheitliche Beratung Voraussetzung. Wir wollen für die Betroffenen Gerechtigkeit wieder herstellen im Sinne einer Schnitt- und Vermittlungsstelle zwischen Betroffenen und Ämtern, Kommunikationsstörungen beheben. Durch unsere Beratung kann und muss vielen Menschen zunächst die Angst genommen werden, mit den Behörden bzw. Fallmanagern und Sachbearbeitern zu reden. Und wir sind Anlaufstelle für Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen noch keine oder (zeitweilig) nicht mehr Ansprüche auf Leistungen gemäß SGBII oder SGBXII haben, jedoch in Armut leben, ohne dass sich die ARGEn oder JobCenter hierfür zuständig fühlen (können).
Wir sind sehr daran interessiert, mit Ihnen über Möglichkeiten der weitergehenden finanziellen Unterstützung unserer Arbeit zu reden. Die bisherigen Gespräche mit den zuständigen Fachleuten und PolitikerInnen haben zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt. Eine pauschale Abweisung einer Förderung durch die Landtagsfraktionen der CDU und SPD Ende 2005 mit dem Verweis auf die Zustandigkeit der ARGEn gemäß SGBII bedeutet letztendlich, dass das Land, und in diesem Fall stellvertretend Sie, Herr Ministerpräsident, sich der Problematik zum ALG II-Thema verschliessen.
Die Notlage eines inzwischen großen Teils der Bevölkerung erfordert ein breites Spektrum an Lösungsmöglichkeiten. Wir wissen hier an der Basis wovon wir reden und möchten darauf hinweisen, dass aus unserer Beratung inzwischen auch ganz konkrete Lebenshilfe geworden ist. Insofern, die Not zu wenden, möchten wir nochmals ein Überdenken der Sachlage im Landtag einfordern in dem Sinne, dass Wege gefunden werden, die Existenz der Beratunsstellen zu gewährleisten, sei es auch durch konkrete Vorgaben für die kommunale Ebene durch das Land.
Hierfür bitten wir Sie um direkte Unterstützung.
Die Existenz der Erwerbslosenberatungsstellen in S-H ist kurzfristig in Gefahr, es bestehen nahezu keine Vorfinanzierungsmöglichkeiten, gewachsene Strukturen im sozialen Bereich stehen vor der Auflösung.
In Erwartung einer baldigen Antwort verbleiben wir mit freundlichen Grüßen
Wolfram Otto
(Vorstandsmitglied der Arbeitsloseninitiative Kiel e.V)
(Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen BAG-SHI e.V. , Frankfurt, www.bag-shi.de )
An diesem offenen Brief haben 7 Initiativen inhaltlich mitgearbeitet, und zwar aus Wedel, Bredstedt, Neumünster, Itzehoe, Kappeln, Mölln, Kiel. Eine Vernetzung besteht über die AG-Nord als ein Zusammenschluß von Arbeitslosen- und Sozialhilfegruppen aus Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig- Holstein und bundesweit über die BAG-SHI.
rudkla - 14. Feb, 08:39