BELASTUNG DURCH HANDY-STRAHLUNG

08.02.2006

Ärztin stellt fest: Schauenstein ist kein Einzelfall

Bei der Sitzung des Schauensteiner Stadtrates erhielt auch Dr. Cornelia Waldmann-Selsam das Rederecht. Die Bamberger Ärztin hatte bereits bei der Demonstration am 20. Januar vor den gesundheitlichen Gefahren gepulster elektromagnetischer Hochfrequenz-Strahlung gewarnt, die von Mobilfunk-Sendern, Handys sowie schnurlosen Telefonen nach DECT-Standard ausgehen.

SCHAUENSTEIN – Die engagierte Ärztin hatte am Montag unmittelbar vor der Stadtratssitzung mehrere Anwohner in der Umgebung des Schauensteiner Mobilfunk-Senders besucht, die Strahlungsbelastung gemessen und die Daten mit Angaben der Betroffenen über Beschwerden in ein Register aufgenommen.

Wie Waldmann-Selsam dem Stadtrat berichtete, verfügt sie über ein gutes Messgerät, mit dem sie in Schauenstein hohe Belastungen festgestellt hat. In der Blumenstraße seien es an etlichen Stellen mehrere 1000 Mikrowatt pro Quadratmeter gewesen. Auf einer Terrasse habe sie bis zu 5000 Mikrowatt festgestellt, in den Häusern und der Schule mehrere hundert Mikrowatt. Im Falle der Schule vermutet die Ärztin ein Zusammenwirken mit dem Radar vom Döbraberg. Bei erneuten Messungen in der Schule habe sich gezeigt, dass die neuen Abschirmgardinen in einem der Klassenzimmer (wir berichteten) eine Reduzierung der Werte auf die Hälfte, teilweise bis auf ein Drittel bewirken.

Angesichts der hohen Messwerte im Wohngebiet zeigte sich Waldmann-Selsam äußerst besorgt. Wie sie im Stadtrat berichtete, stellen sich nach ihren Erfahrungen bereits bei Belastungen ab zehn Mikrowatt die ersten Symptome ein. Bei Werten ab 100 Mikrowatt seien viele Leute betroffen.

Die Bamberger Ärztin machte aber auch deutlich, dass Schauenstein kein Einzelfall ist. In den vergangenen zwei Jahren habe sie an 170 Standorten von Mobilfunk-Sendern zirka 1000 Leute in ihren Wohnungen und an ihren Arbeitsplätzen besucht.

Schlafstörungen

Bei den Messungen habe sie festgestellt, dass oft Nachbarn oder Arbeitskollegen unabhängig voneinander an den gleichen Symptomen litten. Waldmann-Selsam nannte Schlafstörungen, Depressionen, Aggressionen, Veränderungen des Blutbildes sowie Herzrhythmusstörungen. An den Arbeitsplätzen würden viele über Konzentrationsschwierigkeiten klagen. „Die Leute können ihre Arbeit nicht mehr machen“, sagte die Ärztin.

Waldmann-Selsam zeigte sich entsetzt darüber, dass in Deutschland bislang noch nie Anwohner von Mobilfunk-Sendern von behördlicher Seite untersucht worden seien. „Wir Ärzte haben bis vor zwei Jahren nichts davon gewusst“, versicherte sie. Man habe bis dahin stets den offiziellen Verlautbarungen geglaubt, dass von den Sendern keine Gesundheitsgefahren ausgehen würden. Deshalb hätten die Ärzte bis zu diesem Zeitpunkt bei den Patienten-Untersuchungen nicht nach Sendern oder schnurlosen Telefonen gefragt.

„Das sind schwere Verdachtsmomente“, lautete das Resümee von Waldmann-Selsam, die auf die Ärzte-Initiativen in Hof, Naila, Coburg, Lichtenfels und Bamberg hinwies. Angesichts der massiven Krankheitshäufungen in Schauenstein müsse der Bau weiterer Sender am bestehenden Standort verhindert werden. „Hier ist Gefahr in Verzug“, betonte die Ärztin.

Zur Klärung der Ursache für die Beschwerden fordert Waldmann-Selsam auch das Abschalten der bestehenden Anlagen und eine anschließende ärztliche Verlaufsbeobachtung bei den Betroffenen. Dies sollte nach ihren Vorstellungen gleichzeitig in Schauenstein und einigen anderen oberfränkischen Kommunen geschehen, um Vergleiche ziehen zu können. Dazu schlug sie die Gemeinde Michelau im Kreis Lichtenfels vor, in der es um einen Mobilfunk-Sender ähnliche Probleme gebe. Waldmann-Selsam bot an, den Kontakt zwischen den Kommunalpolitikern herzustellen. W.R.

http://www.frankenpost.de/nachrichten/regional/frankenwald/resyart.phtm?id=918403



08.02.2006

IM STREIT UM DEN MOBILFUNK-STANDORT SCHAUENSTEIN: Stadtrat Manfred Thieroff appelliert an Mitbürgerin: „Kehren Sie zurück in unsere Gemeinschaft“

Hausbesitzerin soll Sender verhindern

Großer Andrang herrschte bei der jüngsten Sitzung des Schauensteiner Stadtrates. Alle 17 Besucher waren wegen eines einzigen Tagesordnungspunktes erschienen: dem Stand der Dinge in Sachen Mobilfunk. Der Stadtrat räumte den Besuchern ein Rederecht ein, von dem viele Gebrauch machten. Ein Beschluss wurde nicht gefasst.

SCHAUENSTEIN – Unter den Besuchern befanden sich die Vertreter von drei Bürgerinitiativen (BI) gegen Mobilfunk. Neben der BI Schauenstein waren auch Sprecherinnen der Initiativen aus Hof und dem Wallenfelser Ortsteil Schnaid gekommen. Auch viele Anwohner machten ihrem Ärger über die bestehenden und zusätzlich geplanten Mobilfunk-Sender in der Schulstraße Luft.

Bürgermeister Volker Richter dankte allen, die sich in den vergangenen Wochen und Monaten gegen den Bau der zusätzlich geplanten Sendemasten stark gemacht hatten. Richter erinnerte an ein gemeinsam verfasstes Schreiben an Bundeskanzlerin Angela Merkel, auf das ein „Herr oder Frau von Schilling“ aus dem Bundeswirtschaftsministerium geantwortet habe. „Merkels Songschreiber“, wie Richter den Verfasser nannte, wies auf eine vorliegende Standortbescheinigung der Außenstelle Bayreuth der Bundesnetzagentur hin. Dieser Bescheinigung zufolge würden die in Schauenstein geplanten Mobilfunk-Anlagen den Vorgaben der 26. Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz sowie der Verordnung über die Begrenzung elektromagnetischer Felder entsprechen.

Richter gab zwei weitere Schreiben des Mobilfunk-Betreibers O2 bekannt, der am 23. Januar den Aufbau der Anlagen innerhalb der nächsten Wochen ankündigte. Vom Betreiber E-Plus, der ebenfalls einen Mobilfunk-Sender am selben Standort errichten will, liege bislang keine weitere Nachricht vor, erläuterte er. Außerdem berichtete Richter von einer Bürgermeister-Dienstbesprechung, bei der auch Vertreter der Mobilfunk-Betreiber dabei gewesen seien. „Jetzt haben wir lange genug von der Gesundheit gesprochen, nun wollen wir zum Geschäft kommen“, zitierte Richter einen der Mobilfunkmanager aus dieser Sitzung.

Zweiter Bürgermeister Hermann Fraas erinnerte an die Demonstration gegen Mobilfunk in Schauenstein am 20. Januar. Stadtrat Manfred Thieroff ging mit der Besitzerin des Hauses, die die beiden zusätzlichen Masten auf ihrem Grundstück zulassen will, scharf ins Gericht. Er warf ihr Geldgier vor und forderte sie auf, von ihrem Vorhaben abzulassen. Thieroff, der als Anwohner mit seiner Familie persönlich betroffen ist, wies auf die Gesundheitsschäden im umliegenden Wohngebiet hin, die sich nach der Inbetriebnahme der bestehenden Anlagen nach kurzer Zeit eingestellt hätten. „Ich fordere Sie auf, Ihren Beschluss zu überdenken“, sagte Thieroff und appellierte an das Gewissen der Hausbesitzerin. „Kehren Sie zurück in unsere Gemeinschaft, noch steht die Tür offen“, sagte er mit eindringlicher Stimme. Heftige Kritik übte Thieroff zugleich an den hohen Grenzwerten für den Mobilfunk in Deutschland. Dieser liege zwanzigfach über dem Wert in Russland, das mit seinen Menschen bekanntlich nicht gerade sehr zimperlich umgehe.

Info-Abend geplant

„Die Gesundheit geht vor“, betonte Stadtrat Jürgen Werner, der zunächst eine Verlegung der Sender um 200 Meter nach Südwesten in Richtung Volkmannsgrün vorschlug, nach dem Bericht der Bamberger Ärztin Dr. Cornelia Waldmann-Selsam jedoch noch einen Schritt weiter ging und sagte: „Die neuen Masten müssen verhindert werden.“ Einen Baustopp sowie die probeweise Abschaltung der bestehenden Anlagen in Schauenstein und einigen anderen oberfränkischen Gemeinden für eine medizinische Untersuchung forderte Waldmann-Selsam. Stadtrat Marco Vödisch unterstützte diesen Vorschlag und schlug dies zeitgleich für drei oder vier Kommunen aus jedem Landkreis vor.

Stadtrat Peter Geiser gab zu bedenken, dass die Belastung durch die Radarstation am Döbraberg dazukomme und verwies auf die vergleichsweise hohe Krebsrate in Schwarzenbach am Wald. Helga Wolfrum entgegnete, dass es die Radarstation bereits seit 30 Jahren gebe. Waldmann-Selsam merkte in diesem Zusammenhang an, dass die Symptome erst seit Einführung des Mobilfunks aufgetreten seien. Der Besucher Werner Hohenberger kritisierte die hohen Grenzwerte. Er warnte vor der besonders starken Strahlungsbelastung von zehn Watt pro Quadratmeter und der hohen Frequenz von 1,8 Giga-Hertz des geplanten UMTS-Senders von O2. Ulla Tögel schlug vor, einen Umwelt-Ingenieur aus Würzburg für einen Vortrag in Schauenstein zu verpflichten, damit dieser über die Gefahren berichten könne.

Von der BI Schauenstein meldeten sich Andrea Jahn und Peter Göpfert zu Wort. Jahn fragte an, ob es nicht möglich sei, den vom Betreiber 02 geplanten 15 Meter hohen Mast wegen Überschreitung der genehmigungsfreien zehn Meter zu verhindern. Richter verwies auf das Schreiben aus dem Bundeswirtschaftsministerium, wonach es keine Beanstandungsmöglichkeit gebe. Nach Informationen unserer Zeitung wird die Höhe des Mastes erst ab der Dachhöhe gemessen. Göpfert kündigte einen Info-Abend in Schauenstein mit Waldmann-Selsam sowie dem Nailaer Dr. Horst Eger an.

Marianne Günther von der BI Hof berichtete von ähnlichen Erfahrungen mit Krankheitshäufungen im Umfeld des Senders in der Kösseinestraße, in der die BI die geplante Erhöhung eines Mastes mit einer Unterschriftenaktion verhindert habe. Die BI Hof habe eine Studie mit den Daten der Betroffenen erstellt und weitergegeben. „Wir haben angenommen, dass daraufhin Erkundigungen gemacht werden, aber es kommt einfach keine Resonanz“, empörte sich die Hoferin.

Keine Resonanz

Fraas erkundigte sich, was es mit dem enormen Messwert von 20 000 Mikrowatt in der Schule auf sich gehabt habe. Wie Waldmann-Selsam erläuterte, sei ein schnurloses DECT-Telefon dafür verantwortlich gewesen, das mittlerweile aus dem Schulhaus entfernt worden sei. Jürgen Werner zitierte aus einem Rundfunk-Bericht, wonach von 20 derartigen Telefonen 15 oder 16 mit ungenügend, der Rest mit mangelhaft bewertet worden seien. Monika Schuberth-Brehm von der BI Schnaid appellierte, alle derartigen stark strahlenden Geräte in die Geschäfte zurück zu bringen, damit diese sie zurück an die Erzeuger geben könnten. WERNER ROST

http://www.frankenpost.de/nachrichten/regional/frankenwald/resyart.phtm?id=918401


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