Warum internationale Handelsketten nicht willkommen sind

In einem Land, wo die "Terroristen" (Naxalbaris) massenhaft Zulauf finden bei direkten Aktionen gegen die Nahrungsmittelverteilstellen in den jeweiligen Bundesstaaten (wo es - eigentlich - unterschiedliche Preise je nach Einkommen der Bezieher geben sollte), kann es nicht verwundern, dass die verschiedenen Anläufe der Walmart und Carrefour, Metro und anderen Segnungen der Marktwirtschaft, endlich auf diesem riesigen Markt Fuß zu fassen, bisher an recht breiter Ablehnung gescheitert sind. Aber natürlich gibt es auch in Indien genügend Menschen, die es ganz toll finden, für irgendwelche Unternehmen Reklame zu laufen - und dafür noch teuer bezahlen zu müssen. Massenhafte Farmerselbstmorde auf der einen Seite, die stetig wachsende Anzahl von Patenten, die sich Unternehmen von ihren jeweiligen Behörden geben lassen auf der anderen Seite, sind der Hintergrund zu einer heftigen gesellschaftlichen Konfrontation, innerhalb derer sich immer mehr Bauern, Fischer und "Waldmenschen" zu kooperativen Zusammenschlüssen finden, die beispielsweise ohne Künstdünger arbeiten. 12 Millionen "Einzelhandelseinrichtungen" gibt es in Indien, 40 Millionen Menschen sind dort beschäftigt - die Millionen StraßenhändlerInnen nicht gerechnet - die oft genug, in kleineren Städten vor allem, Bäuerinnen sind, die Direktverkauf praktizieren. Dennoch beschäftigt der Zwischenhandel, die örtlichen "Agents" Zehntausende. Prekär und schlecht genug also der Istzustand. Für die breiten Massen der "nicht konsumfähigen" Menschen ist mit dem Einzug der transnationalen Handelskonzerne keine Besserung in Sicht, im Gegenteil. Einige Aspekte dieser vielschichtigen Auseinandersetzungen bieten die folgenden Beiträge:

Zum Einzelhandel bzw ausländischen Investitionen (FDI):

"FDI in India's Retail Trade: Some Additional Issues" von Dipankar Dey in der Ausgabe Juli 2007 von "Aspects of India´s economy": http://rupe-india.org/43/retail.html

"Big box retail will boost poverty" von Devinder Sharma vom 17. Februar
2007 bei "India Together": http://www.indiatogether.org/2007/feb/dsh-fdiretail.htm

Zum "Nahrungsaufruhr":

"Public distribution of anger" von Rajat Roy in der Ausgabe November
2007 von "hardnews": http://www.hardnewsmedia.com/2007/11/1662

"Rioters against ration dealers" von Shoma Chatterji vom 25. Oktober
2007 bei "India Together": http://www.indiatogether.org/2007/oct/gov-wbpds.htm

Zur Entwicklung der Landwirtschaft in Indien:

"CONTRACT FARMING - Corporate agriculture: transplanting failure" von Sudhirendar Sharma vom 3. Mai 2006 ebenfalls bei "India Together": http://www.indiatogether.org/2006/may/agr-contract.htm

"Indien 2006: 1400 Selbstmorde in nur einer Region" von P. Sainath vom
25. Februar 2007 im deutschen ZNet: http://zmag.de/artikel/Indien-2006-1400-Selbstmorde-in-nur-einer-Region

Zu Widerständen:

"India forms land reform council in response to 'rally of the landless'" redaktioneller Beitrag vom 30. Oktober 2007 bei "The Hindu" gespiegelt bei "Infochange India": http://www.infochangeindia.org/LivelihoodsItop.jsp?section_idv=8#4973

"The Trojan Horse of Neo-liberal Capital in Kerala" im Blog Kafila am
1. Dezember 2007: http://www.kafila.org/2007/12/01/the-trojan-horse-of-neo-liberal-capital-in-kerala/

"Chengara, Kerala - land grab, Adivasis, and peasant struggle - A citizens' report" vom "Solidarity Team" vom 4. Dezember 2007 bei "Sanhati". http://sanhati.com/articles/535/


"Warum sollten die allerersten menschlichen Bedürfnisse - die Nahrung und die Wohnung - eine Ware bleiben?"

Carina Aparecida Andrade de Freitas hat inzwischen viele Erfahrungen im Anbau von Gemüse - im eigenen Garten. Die Studentin der Kommunikationswissenschaft an der Katholischen Universität von Belo Horizonte lebt in einem von den Volksbrigaden besetzten größeren Haus am Stadtrand des 4 Millionen Konglomerats. Und, wie viele der in der städtischen Obdachlosenbewegung aktiven Menschen in Brasilien, haben auch sie und ihre Gruppierung enge Beziehungen zur Bewegung der Landlosen. Und die politische Debatte, die diese über die MST national wie weltweit vorantreiben, läuft unter dem Stichwort "Nahrungssouveränität", für das inzwischen die internationale Vereinigung Via Campesina als organisierte Vertretung steht. In dem Telefoninterview "Nahrung darf keine Ware sein" wollten wir von einer Basisaktivistin aus einer Stadt wissen, wie die Menschen dort die Probleme sehen - und zu lösen versuchen: http://www.labournet.de/internationales/br/keineware.html


Ganz unmoderne Forderungen tauchen auf: Preiskontrollen

Nach Senegal und Mauretanien und noch während die Polizei und Armee in Kamerun auf Demonstranten schiessen, nun auch heftige Proteste in Burkina Faso. Speziell in den westafrikanischen Ländern treibt die massive Teuerung (in BF bis zu 65%) bei Grundnahrungsmitteln wie vor allem Speiseöl und Zucker die Menschen zum Protest - und die Regierungen reagieren neben Terror mit Zugeständnissen, etwa indem die Besteuerung solcher Waren vermindert oder gar ausgesetzt wird. Die massenhaften Protestbewegungen, sehr oft getragen von ganz jungen Menschen, oft gar aus den Schulen kommend, setzen sich nicht nur militant zur Wehr: sie vertreten auch Forderungen, die sich weder um politische Theoreme irgendwelcher Art kümmern, noch darum, ob sie mit der Marktwirtschaft kompatibel sind: Preiskontrollen zum Beispiel.

Ein kurzer aktueller Überblick (mit Links zu weiteren Berichten) bei der UN-Nachrichtenagentur IRIN: "Protests on price rises spread to the capital" vom 28. Februar 2008: http://www.irinnews.org/Report.aspx?ReportId=77033

Etwas ausführlicher, mit einigem Hintergrund aus der Hauptstadt der Bericht "Ouagadougou entre casse et pillage" von Antoine Battiono vom 29. Februar 2008 in der Zeitung "Le Pays": http://www.lepays.bf/quotidien/lumieres2.php?codeart=14778&numj=4066


Aus: LabourNet, 29. Februar 2008

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